SARS-CoV-2: Kontinuität und Handlungsfähigkeit der SVV

Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung haben am 12.05.2020 eine nichtöffentliche Test-Videositzung durchgeführt. Es haben bis zu 14 Personen, inkl. der Rollen Vorsitzender und Protokollführer, teilgenommen. Ziel es Experimentes war es neue technische und organisatorische Erkenntnisse zu sammeln sowie herauszufinden ob Videositzungen in unserem Fall praktikabel wären. Bei einem fiktiven Tagesordnungspunkt haben wir zudem Beratung und Beschlussfassung simuliert. Dabei konnten wir wertvolle Erfahrung sammeln und es gibt einen gemeinschaftlichen Erkenntnisgewinn. Im Vorfeld hatten alle Fraktionen und fraktionslosen Mitglieder in Kleingruppen eigene Test-Videokonferenzen durchgeführt, deren Ergebnisse in den großen Test eingeflossen sind.

Wir haben u.a. folgende Erkenntnisse gesammelt, welche für die (Fach-)Öffentlichkeit spannend sein könnten:

1. Stellvertretende Sitzungsleitung: Damit zu jeder Zeit gewährleistet ist, dass der Stellvertreter die Sitzungsleitung übernehmen kann, wurde die Co-Moderatoren-Funktion genutzt. Der stellvertretende Vorsitzende hatte die gleichen technischen Rechte wie der Vorsitzende. Für den Fall, dass der Vorsitzende spontan umfällt oder bei einzelnen TOP befangen ist, kann der Stellvertreter sofort und ohne Zutun des Vorsitzenden in voller Kompetenz übernehmen. Wenn der Stellvertreter die Sitzungsleitung übernimmt, sollte er wiederum die Co-Moderator-Rolle präventiv an den nach Lebensjahren Ältesten übertragen. Und so weiter. Sollte es beim Vorsitzenden zu technischen Problemen kommen (bspw. Ausfall Internetverbindung), so läuft die Videokonferenz trotzdem weiter. Dies ist für die Kontinuität gut, bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der Stellvertreter den Vorsitzenden auf Lebendigkeit überwachen sollte. Genauso wie der Vorsitzende die Lebendigkeit aller Teilnehmer permanent überwachen muss. Letztgenannte saloppe Formulierung bezieht sich auf den Hinweis zu § 6 im Rundschreiben des MIK vom 24.04.2020: https://www.brandenburg.de/sixcms/media.php/1065/Rundschreiben%20MIK%20zur%20Kommunalen%20Notlageverordnung.pdf Nach diesen Hinweisen wäre eine Videositzung bis zur Lösung eines technischen Problems zu unterbrechen, bis eine Lösung gefunden wurde. Ähnlich, als wenn bei einer Präsenzsitzung Mikro oder Strom ausfallen würden. Das ist Usus, auch wenn es bei Video- oder Audiositzungen mehr mögliche Fehlerquellen gibt.
2. Mitwirkungsverbot: Bei Präsenzsitzungen und im öffentlichen Teil müssen sich befangene Abgeordnete für die Dauer des Beratungsgegenstandes in den Zuschauerbereich begeben. Dies lässt sich bei einer Videositzung einfach lösen: Der befangene Abgeordnete schaltet Mikro und Webcam aus, und ist solange Zuschauer, bis der nächste TOP aufgerufen wird. Im Zweifel kann dies der Vorsitzende technisch durchsetzen. Bei Beratungsgegenständen im nichtöffentlichen Teil bedarf es einer anderen Lösung: Der Vorsitzende schickt den befangenen Abgeordneten zurück in den virtuellen Warteraum. Sobald der nächste TOP aufgerufen wird, darf der vorher befangene Abgeordnete wieder aus dem Warteraum in den Sitzungsraum. Das funktioniert über die Co-Moderatoren-Rolle analog für einen etwaig befangenen Vorsitzenden.
3. Galerieansicht aller Teilnehmer: Nutzer einer bestimmten Klasse von Endgeräten, haben darauf hingewiesen, dass sie in der Galerieansicht nicht alle Teilnehmer gleichzeitig sehen können, sondern blättern müssen. Dies scheint leider eine technische Einschränkung des verwendeten Werkzeuges. Während es für den Vorsitzenden zwingend notwendig ist, dass er alle Teilnehmer gleichzeitig in der mosaikartigen Galerie sehen kann, so wäre dies theoretisch für die Teilnehmer entbehrlich. Während man auch in einer Präsenzsitzung, je nach Blickwinkel, nicht immer alle Teilnehmer auf einen Schlag sehen kann, ist es trotzdem unschön, wenn dies nicht bei der Videositzung möglich ist. Hierbei kann man nach aktuellem Stand der Technik leider nur empfehlen auf ein anderes Endgerät auszuweichen oder sich mit der Sprecheransicht zu begnügen (die Person, die spricht, wird automatisch groß angezeigt). Vorsitzender und Stellvertreter hatten entsprechende Endgeräte verwendet und konnten alle Teilnehmer gleichzeitig sehen.
4. Handzeichen für Wortmeldungen: Einige Videokonferenzlösungen bieten Zusatzfunktionen wie Chat oder das Heben einer virtuellen Hand. Solche Funktionen stehen in Präsenzsitzungen nicht zur Verfügung und würden einen im Zweifel an ein spezifisches Werkzeug binden. Daher möchte der Vorsitzende diese Funktionen ungern nutzen. Ein deutliches Handzeichen (mit der echten Hand) in die Kamera – hilfsweise mit dem Hochhalten eines weißen Blatt Papier, sollte ausreichend sein. Es ist wichtig, dass jeder Teilnehmer darauf achtet, dass die eigene Hand tatsächlich im Blickfeld der Kamera ist, man aber gleichzeitig noch zumindest wichtige Merkmale des Gesichts erkennen kann. Damit ist auch die Nachvollziehbarkeit für die Öffentlichkeit möglich, welche die Galerieansicht nur über einen Beamer sehen würden.
5. Handzeichen für Abstimmungen: Auch hier würde es der Vorsitzende bei der physischen Hand, hilfsweise mit einem Stück Papier zwecks besserer Sichtbarkeit, belassen wollen. Der Test-Abstimmung konnten Vorsitzender und Protokollführer schwer zu folgen. Die Gründe hierfür lassen sich beheben bzw. sind bereits behoben. Im Zweifel muss man Tempo herausnehmen oder ähnlich einer namentlichen Abstimmung anhand der Liste der stimmberechtigten Mitglieder einzeln das Votum abfragen.
6. (Schriftliche) Änderungsanträge zu Tagesordnung oder Beschlüssen: Bei einfachen Anträgen ist es ausreichend diese vorzulesen und dem Protokollführer Zeit zu geben dies zu notieren. Bei längeren und komplizierten Sachverhalten, ist zu empfehlen (so wie sonst auch) es im Vorfeld elektronisch zu versenden. Sollte es dazu kommen, dass es erst in der Sitzung einen schriftlichen Änderungsantrag mit umfangreichem Text gibt, ist eine pragmatische Lösung denkbar: Noch während der Sitzung elektronisch versenden, in die Kamera halten oder den Bildschirm freigeben.
7. Internetverbindung, Video und Ton: Bei einem Teilnehmer kam es zu erheblichen Störungen bei der Bildübertragung. Das wäre für eine echte Videositzung das K.O.-Kriterium und man müsste für alle Teilnehmer auf eine Audiositzung zurückfallen. Die Ursache wurde jedoch bereits gefunden und dauerhaft behoben. Man muss berücksichtigen, dass die Tests mit heterogener Hardware und ohne den geplanten Anschaffungskostenzuschuss durchgeführt wurden. Die Audioqualität war sehr gut und dies wurde ausführlich getestet. Wir haben mit der Stummschalte-Funktion experimentiert und Optionen probiert. Selbst bei heterogener Audio-Hardware – Einige mit kabelgebundenem Headset, Bluetooth-Headset, oder über Lautsprecher und eingebautem Mikrofon; der Klang war für eine flüssige Konversation zweckdienlich.
8. Vorbereitung: Im Vorfeld wurden Zugangsdaten über einen sicheren Kanal an alle Personen mit aktivem Teilnahmerecht versendet. Weil der Termin aus Rücksicht auf einen wichtigen Teilnehmer vorverlegt wurde, konnten nicht alle Abgeordneten (pünktlich) teilnehmen. Wichtig ist zudem, dass die Ladung zuverlässig über das elektronische Ratsinfo-Postfach und nicht per E-Mail – welche ggf. verloren gehen kann – erfolgt. Wichtig ist, dass jeder Teilnehmer während der Sitzung allein in einem geschlossenen und ruhigen Raum sitzt, sowie alle Vorkehrungen getroffen hat, dass er an einer Videositzung zuverlässig und konzentriert aktiv teilnehmen kann. Dazu zählen bspw. aufgeladene Akkus bzw. Anschluss Laptop an den Strom oder das lautlos Schalten vom Handy.