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Freiwillige Leistungen sind alle Aufgaben, die eine Kommune ohne gesetzliche Verpflichtung erledigt. Es umfasst also all die Leistungen, die nicht aufgrund eines Gesetzes oder anderer geltender Rechtsnormen (beispielsweise Sicherung der Verkehrspflicht) zu erledigen sind. Normen der Kommunalverfassung mit rein zuweisenden Charakter (beispielsweise die Gemeinde ist für Kultur zuständig, vgl. § 2 (2) BbgKVerf) zählen hierzu nicht. Bei der Bestimmung der freiwilligen Leistungen ist daher für jede einzelne Position im Haushaltsplan zu bestimmen, ob es hierfür eine gesetzliche Verpflichtung gibt. Da der Haushalt der Stadt Friesack jedoch derzeit (noch) nicht öffentlich über das Internet abgerufen werden kann, kann an dieser Stelle noch keine Prüfung im Detail offengelegt werden.

Im Zusammenhang mit https://friesack.mit.vision/f/selbstverwaltungsgarantie-gemaess-artikel-28-grundgesetz/ stellt sich allgemein die Frage, inwieweit das Grundrecht auf gemeindliche Selbstverwaltung gem. Art. 28 (2) GG gegeben ist, wenn der finanzielle Handlungsspielraum hinsichtlich freiwilliger Leistungen, aufgrund von vielen pflichtigen Leistungen, stark eingeschränkt ist.

Auf Grundlage der Haushaltsplanungen für das Jahr 2018 hat der Landkreis Havelland den prozentualen Anteil freiwilliger Leistungen in den jeweiligen Gemeinden ausgerechnet: https://www.havelland.de/fileadmin/dateien/landrat/amtsblaetter/2018/Amtsblatt_01_2018_mit_Anlagen.pdf

Stadt Friesack: 1,31 % für freiwillige Leistungen.

Weitere beispielhafte Gemeinden aus dem Dokument: Wustermark 2,69 %, Kleßen-Görne 7,55 %, Stadt Rhinow 3,66 %, Paulinenaue 0,49 %, Stadt Rathenow 3,81 %, Stadt Falkensee 5,04 %.

Bei der Bestimmung des prozentualen Anteils wird der absolute Betrag der freiwilligen Leistungen ins Verhältnis zu einer anderen Zahl (Bezugsgröße) gesetzt. Hier gibt es grundsätzlich zwei mögliche Bezugsgrößen:

  1. Variante der Kommunalaufsicht Havelland: Die Kommunalaufsicht des Landkreises Havelland nimmt derzeit eine Kennzahl aus dem Finanzhaushalt als Bezugsgröße. Sie zieht die Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit heran.
  2. Variante des Ministeriums des Innern und für Kommunaless im Land Brandenburg: Kennzahl nach Richtlinie des Ministeriums des Innern und für Kommunales zur Gewährung von Zuweisungen zum Ausgleich besonderen Bedarfs (RLBBABbgFAG) vom 10. April 2017. In der Ziffer 4.2 RLBBABbgFAG heißt es:

Als Mindestmaß an freiwilligen Leistungen gilt dabei rechnerisch 1 Prozent der Summe der Erträge aus Steuern und ähnlichen Abgaben (Kontengruppe 40) sowie der Erträge aus Zuwendungen und allgemeinen Umlagen (Kontengruppe 41). Die Höhe der besonderen Zuweisung setzt sich zusammen aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem nach dieser Richtlinie festgesetzten Mindestmaß an freiwilligen Leistungen und den tatsächlichen Aufwendungen des Zuweisungsempfängers für freiwillige Leistungen abzüglich der dazugehörigen Erträge für freiwillige Leistungen.

Die o.g. Prozentwerte aus dem Amtsblatt vom Landkreis Havelland wurden vermutlich auf Grundlage von Variante 1 berechnet.

Weitere stichprobenartige Vergleichswerte und Daten aus anderen Quellen:

Nach meinem Verständnis sollte einer Gemeinde, sogar bei einem Haushaltssicherungskonzept, ein gewisses Budget für freiwillige Leistungen zur Verfügung stehen, damit ein zumindest geringer Handlungsspielraum im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und Gestaltungsfreiheit ermöglicht wird. Siehe dazu die RLBBABbgFAG: 5.2 Absatz 2 Satz 2 „Die Höhe der zulässigen freiwilligen Leistungen darf bei [..] den kreisangehörigen Städten und Gemeinden bis unter 2 500 Einwohnern 2,5 Prozent, mit 7 500 Einwohnern 3 Prozent [..]“ https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/rlbbabbgfag2017

Würde die Richtlinie für die Stadt Friesack Anwendung finden, so wären mindestens 2,5 % freiwillige Leistungen angemessen. Nach o.g. Berechnung des Landkreises Havelland lag man im Haushaltsjahr 2018 mit 1,31 % um 1,19 Prozentpunkte unter der Grenze aus 5.2 Absatz 2 Satz 2 RLBBABbgFAG.

Gem. § 16 (1) BbgFAG gibt es einen Ausgleichsfonds, dessen Mittel u.a. für „die Sicherstellung der Grundausstattung zur Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben“ bestimmt sind. https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgfag#16

Ein Zugang zu diesem Ausgleichsfonds ist derzeit nicht möglich, weil die Richtlinie auf die Stadt Friesack keine Anwendung findet, sowie ohne Not auch keine Anwendung finden sollte. Denn: Ein besonderer Bedarfsausgleich nach der Richtlinie kann nur erfolgen, sofern eine unverschuldete Haushaltsnotlage besteht. Diese liegt im Regelfall dann vor, wenn der Zuwendungsempfänger (die Gemeinde) den gesetzlichen Haushaltsausgleich trotz eines beschlossenen und genehmigten Haushaltssicherungskonzeptes aus eigener Kraft innerhalb des mittelfristigen Finanzplanungszeitraums nicht erreichen kann. Aufgrund der sparsamen Haushaltsführung in den vergangenen Jahren konnte die Stadt Friesack die Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes vermeiden, so dass es an einer Grundvoraussetzung fehlt.

Nun könnte man das Gedankenexperiment machen, dass ein Abrutschen in ein Haushaltssicherungskonzept sogar vorteilhaft wäre, weil dann der Zugang zum Ausgleichsfonds eröffnet und damit der Anteil der freiwilligen Leistungen von 1,31 % (HH-Plan 2018) auf mindestens 2,5 % angehoben werden könnte. Einerseits würde es gegen andere Grundsätze verstoßen das mutwillig herbeizuführen und andererseits würde dafür an anderen Stellen ein hoher Preis gezahlt werden müssen, weil wir parallel Steuern und Gebühren erhöhen müssten, um zunächst zu versuchen die Einnahmensituation zu verbessern. Also ist dieser Gedankengang grundsätzlich nicht der richtige Weg und das BbgFAG sollte jenen Gemeinden vorbehalten bleiben, die in einer Notlage sind. Dies konnte bisher bei der Stadt Friesack scheinbar abgewendet werden.

Letztendlich zeigt sich aktuell jedoch eine Tendenz, dass der Anteil für freiwillige Leistungen im Haushaltsplan 2020 wieder über 2,5 % liegen wird. Damit wird der Gedankengang hinsichtlich BbgFAG derzeit noch unattraktiver bzw. die Argumentation hinsichtlich einem Mindestmaß an Handlungsspielraum fällt weg.

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>Auf Grundlage der Haushaltsplanungen für das Jahr 2018 hat der Landkreis Havelland den prozentualen Anteil freiwilliger Leistungen in den jeweiligen Gemeinden ausgerechnet

Daten für 2019 liegen mir vor, scheinen jedoch noch nicht vom LK HVL im Internet verfügbar gemacht worden zu sein. Habe ich beim LK HVL angefragt. Für 2019 liegt der Wert für die Stadt Friesack jedoch auch deutlich unter 2,5 %.

> Daten für 2019 liegen mir vor, scheinen jedoch noch nicht vom LK HVL im Internet verfügbar gemacht worden zu sein. Habe ich beim LK HVL angefragt. Für 2019 liegt der Wert für die Stadt Friesack jedoch auch deutlich unter 2,5 %.
> Letztendlich zeigt sich aktuell jedoch eine Tendenz, dass der Anteil für freiwillige Leistungen im Haushaltsplan 2020 wieder über 2,5 % liegen wird.
Ich habe das noch einmal genauer nachgerechnet. Bei einer detaillierten Betrachtung scheint der Anteil der freiwilligen Leistungen auch bereits im Haushaltsplan 2019 bei rund 2,5 % zu liegen – je nachdem welche der beiden Bezugsgrößen man verwendet. Es scheint mir, als wenn der LK HVL bei der o.g. Auswertung im Amtsblatt tendenziell nur auf Produktebene zwischen freiwillig / pflichtig unterschieden hat, aber nicht im Detail auf Ebene der Sachkonten. Im Vergleich zum HH-Plan 2019 wird unter gleicher Betrachtungsweise und Bezugsgröße der Anteil freiwilliger Leistungen im HH-Plan 2020 voraussichtlich noch mal etwas höher liegen. Damit ist die Argumentation der kommunalen Selbstverwaltung im Vergleich zur Untergrenze von RLBBABbgFAG: 5.2 Absatz 2 Satz 2 erstmal entkräftet.

>dass der Anteil für freiwillige Leistungen im Haushaltsplan 2020 wieder über 2,5 % liegen wird

Auf Grundlage des am 17.12.2019 beschlossenen HH-Plan 2020 der Stadt Friesack liegt der Anteil der freiwilligen Leistungen über 3.00 %. Die genaue Zahl variiert je nach Bezugsgröße. Eine detaillierte Berechnung kann derzeit, solange der HH-Plan nicht im Detail veröffentlicht wurde, nicht öffentlich gemacht werden.

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