Hintergrund: https://www.facebook.com/koepernick.friesack/posts/731942283867128 und https://www.moz.de/landkreise/havelland/rathenow/rathenow-artikel/dg/0/1/1722374/
Vorweg: Ich vertrete die Position, dass der Zugang zum Internet, ähnlich dem Zugang zu Trinkwasser, zur Grundversorgung (staatliche Daseinsfürsorge) gehören sollte. Deutschland und die EU werden es sonst schwer haben, im internationalen Wettbewerb die beste Bildung, den höchsten Wohlstand und die innovativste Wirtschaft zu erreichen. Basistechnologien wie das Internet, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität führen zu Disruption. Binnen weniger Jahre kann es schlagartige Verbesserungen geben. Und das passiert bereits seit mehr als 20 Jahren auf unserem Planeten – nur eben kaum in Deutschland. Wer nicht handelt, wird verlieren. Wenn die Mechanismen der Marktwirtschaft zum Breitbandausbau nicht ausreichen muss der Staat eingreifen. Das wird auch getan: Subventionen, wie hier am Beispiel öffentlicher WLAN-Hotspots, oder Regulatorik, wie aktuell bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen.
Aber: Blinder Aktionismus kann vom eigentlichen Problem ablenken. Das Amt Friesack hat sich nicht auf die Förderung des Ministeriums für Wirtschaft und Energie (MWE) zur Schaffung von öffentlichen WLAN-Hotspots in Friesack Stadt oder Paulinenaue beworben. Und ich finde das gut! Ich teile die Entscheidung von Christian Pust (Amtsdirektor).
1) Erster Grund: Substitute
Im Amt Friesack gibt es ausreichend funktionierende Substitute für öffentliche WLAN-Hotspots. Die LTE-Funkversorgung der Mobilfunkanbieter Telekom und Vodafone – an wenigen Stellen auch von o2 – ist gut. In den vergangenen 12 Monaten hat die Telekom sogar mobile Basisstationen entlang der Bahnstrecke aufgestellt. Mobilfunkverträge sind erschwinglich und auch Prepaid-Angebote haben eine preisliche Talsohle erreicht. DSL-Kunden der Telekom können in den meisten Fällen WLANs von privat über die die Angebote „Telekom HotSpots“ oder „WLAN TO GO HotSpots von Fon“ kostenfrei mitbenutzen. Davon gibt es in der Stadt Friesack fast 100 Stück über die Stadt verteilt. Außerdem wurde mit der BGH-Entscheidung im November 2018 die Störerhaftung für private und gewerbliche Betreiber von offenen WLANs gekippt: https://www.sueddeutsche.de/digit…/wlan-urteil-bgh-1.4069291 Wer sein privates WLAN öffnen möchte, findet hier weitere Informationen: https://freifunk.net/ Es sollte im Interesse jedes Gewerbetreibenden in Friesack liegen, seinen Gästen kostenfreies WLAN anzubieten. Wo es WLAN gibt, wird länger verweilt und mehr Umsatz gemacht.
2) Zweiter Grund: Nutzungsgewohnheiten
Städte wie Berlin ziehen internationale Touristen an. Diese haben meist keine lokale SIM-Karte und würden hohe Gebühren zahlen müssen. Da ist kostenloses WLAN willkommen. Internationale Touristen haben wir in Friesack derzeit kaum und in absehbarer Zeit wird auch kein sprunghaftes Wachstum zu erwarten sein. Aus Perspektive des Tourismusmarketings könnte die flächendeckende Verfügbarkeit von kostenlosem WLAN ein nettes Feature, aber kein einzigartiger Vorteil mit großer Anziehungskraft, sein. Da gibt es andere Maßnahmen mit größerem Wirkungsgrad (Darstellung von Friesack im digitalen Raum bspw.). Ich bezweifle auch, dass kostenfreies WLAN in der Bibliothek für Einwohner so verlockend ist, dass die sich dort mit ihrem Tablet hinsetzen und im Internet surfen würden. Die Öffnungszeiten der Bibliothek, die veränderte Mediennutzung und der eigentliche Bedarf rund um die Themen Bildung, Arbeit und Treffpunkte ist noch mal ein ganz anderes Thema (folgt). Selbst in den größeren Städten gibt es kritische Stimmen, dass öffentliche WLANs kaum genutzt werden und die Betreiber halten sich bei den Nutzungszahlen bedeckt. Aber nicht falsch verstehen, wenn es um Infrastruktur und Internetversorgung geht, sympathisiere ich mit der Ideologie „Haben ist besser als brauchen“. Erst wenn etwas vorhanden ist, gibt es überhaupt die Chance, dass die Gesellschaft neue Anwendungsfelder entdeckt. In diesem Fall muss ich aber klar sagen, dass die begrenzte Zeit und die begrenzten Mittel wirkungsvoller verwendet werden können.
3) Dritter Grund: Frequenzen
WLAN funkt im Gigahertzbereich. Bei Funktechnik gibt es einen Konflikt zwischen Reichweite und Bandbreite. Man kann nicht beides maximieren. Vereinfacht gesagt: Je höher die Frequenz (kurze Funkwellen, mehr Bandbreite), desto geringer die Reichweite des Signals. Der Gigahertzbereich hat viel Bandbreite, aber eine geringe Reichweite – auf freiem Feld i.d.R. wenige hundert Meter, in besiedelten Gebieten deutlich weniger. Es hat einen Grund wieso FM-Radio im geringen Megahertzbereich mit niedrigerer Frequenz (längere Funkwellen, weniger Bandbreite) funkt – damit es eine große Reichweite hat, aber es müssen auch nur sehr wenige Daten übertragen werden. Der Einsatz von WLAN ist die denkbar schlechteste Option, um eine flächendeckende Internetversorgung zu erreichen. Selbst eine punktuelle Versorgung, bspw. in den Gebäuden und auf dem Gelände des OSZ, stellt die Techniker vor Herausforderungen, da es einer Vielzahl von Access Points bedarf, die zusammen ein Mesh bilden müssen. LTE funkt in ländlichen Regionen im erhöhten Megahertzbereich als Kompromiss zwischen Reichweite und Bandbreite; und das funktioniert relativ gut.
4) Vierter Grund: Kosten
Das MWE hat ein Budget von 5 Mio. € und möchte in Brandenburg 1.200 Hotspots aufstellen. Das sind rechnerisch knapp 4.200 € pro Hotspot. Hätte man mit den 5 Mio. € etwas Besseres mit höherem Wirkungsgrad machen können? Meines Erachtens: JA! Nur eine Idee von Vielen: Ein günstiger WLAN Access Point kostet unter 100 €. Es gibt Software wie OpenWrt mit dem man daraus einen offenen WLAN-Hotspot machen kann ohne Wartungsaufwand. Für 4 Mio. könnte man 40.000 Geräte kaufen. Diese werden an institutionelle, private und gewerbliche Bewerber in Brandenburg unter Auflagen verschenkt: „Du bekommst das Gerät gegen eine Kaution, stellst es möglichst optimal (z.B. am Fenster) auf, verbindest es mit deinem vorhandenen Internetanschluss und versorgst es mit Strom. Als Gewerbetreibender tust du etwas Gutes für deine Kunden, als Privatperson etwas Gutes für die Gemeinschaft. Um dem Thema Sichtbarkeit zu geben, gibt es eine Vorschaltseite mit dem Namen des Sponsors, wir bewerben dein Engagement auf einer Internetseite und über die Presse.“ Dafür und für Aufklärungsarbeit nehmen wir die letzte 1 Mio. €. Wer das Gerät nicht mehr am Netz hat, muss es zurückgeben und es geht an den nächsten auf der Warteliste.
ABER: Das eigentliche Problem ist ein ganz anderes. Die Anbindung im Hintergrund.
In Friesack gibt es in den meisten Gegenden nur Kupferleitungen mit maximal 16 Mbit/s DSL – wenn überhaupt. Das reicht kaum für UHD-Netflix im Einpersonenhaushalt, geschweige denn innovative Anwendungen wie Telemedizin oder Game Streaming. Durch die Stadt Friesack führt einer der wichtigsten Glasfaserstränge des Havellandes mit astronomischer Bandbreite – nur leider ist keiner daran angeschlossen. Ich hatte bereits bei verschiedenen Anbietern angefragt und die Tiefbaukosten liegen ab 10.000 € aufwärts – pro Hausanschluss. Das übersteigt teilweise den Wert der Grundstücke, wenn nicht sogar Gebäude.
Ich weiß nicht ob der Amtsdirektor das Thema vollumfänglich durchdacht hat, ein tiefgreifendes Verständnis für Wechselbeziehungen in soziotechnologischen Systemen mitbringt oder Zeit hat den technischen Fortschritt im Auge zu behalten. Aber solange das Ergebnis stimmt, begrüße ich die Entscheidung gegen subventioniertes WLAN in dieser Ausgestaltung. Trotzdem vermisse ich andere Initiativen zur wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung durch das Amt!
Wir sollten unsere Energie und die Subventionen daher lieber auf Glasfaser-Anschlüsse (FTTH) und den Ausbau des 4G + 5G Mobilfunks investieren! Dann kann es in Friesack richtig rund gehen.
Man darf den Politikern (u.a. SPD-Wirtschaftsminister) und Mitarbeitern der Behörden (u.a. Ministerium für Wirtschaft und Energie) in Deutschland aber nur bedingt Vorwürfe machen: Sie wissen es kaum besser. Digitalisierungs-Experten und Innovatoren verdienen in der freien Wirtschaft deutlich mehr und werden dort mit offenen Armen empfangen. Politik oder Staatsdienst sind an diesen Stellen unterbezahlt und frustrierend. Die Denk- und Arbeitsweisen zwischen Innovation und Bürokratie sind grundverschieden. Ich möchte gar nicht, dass sich Mitarbeiter hier zerteilen müssen. Wir brauchen daher vor allem Experten und Visionäre in der Politik, damit die zusammen mit der Verwaltung die Weichen für die Zukunft stellen können.
@koepernick-friesack wird die Gemeinde Friesack eine Bewerbung dafür einreichen?
Stadtverordneter Kristian Wendland ist seit gestern an dem Thema dran und im Kontakt mit der Verwaltung. Aufgrund der sehr kurzen Frist (20.09.2019 17:00) ist noch ungewiss ob ein Antrag zeitlich machbar ist. Aus rechtlichen Gründen kann ich diesen Antrag nicht aus meiner Rolle als ehrenamtlicher Bürgermeister stellen, sondern es muss über das Amt laufen.
Zu dem Thema hat sich der Amtsdirektor heute bei einer Beratung vom Amtsausschuss geäußert: Er hat sich trotz der minimalen Vorlaufzeit bemüht den Gutschein zu beantragen. Aus rechtlichen Gründen muss das der Hauptverwaltungsbeamte persönlich machen. Letztendlich ist es an der kurzen Frist in Kombination mit technischen Problemen bei der Nutzung der Plattform und der Notwendigkeit zur Erledigung anderer dringender Aufgaben gescheitert. Es gab parallel noch eine offizielle Ankündigung an das Amt mit einem Vorlauf im Minutenbereich. Die Fähigkeit spontan auf solche kurzfristigen Gelegenheiten reagieren zu können ist auch durch die sehr hohe Auslastung der Amtsverwaltung stark eingeschränkt. Bei der Beratung im Amtsausschuss haben wir heute einstimmig grünes Licht für die Vorbereitung von Maßnahmen zur personellen Verstärkung der Amtsverwaltung gegeben. Das muss aber noch im Rahmen der Haushaltsplanung durch die jeweiligen Gemeindevertretungen der amtsangehörigen Gemeinden.
Da ich nur ehrenamtlicher und nicht hauptamtlicher Bürgermeister bin, konnte ich die Beantragung aus rechtlichen Gründen nicht selbst durchführen. Ich hatte zumindest den Online-Prozess entsprechend durchlaufen, aber das Formular letztendlich nicht abgesendet, da mir die Legitimation dafür fehlt :/
Rund um die Berliner Str. 22 gibt es nun kostenfreies WLAN. Zur Verfügung gestellt von mir, in meiner Rolle als Gewerbetreibender. Das Netzwerk heißt „friesack.mit.vision“. Ich möchte alle – insbesondere Gewerbetreibende – dazu ermutigen, ebenfalls ein Gäste-Netz freizugeben, um die Internetverfügbarkeit in der Stadt auch für Besucher weiter zu verbessern!
>Rund um die Berliner Str. 22 gibt es nun kostenfreies WLAN.
Details: https://friesack.mit.vision/f/friesacker-fenster-schwarzes-brett-in-der-berliner-str-22/
Rund um die Hamburger Str. 1, 14662 Friesack gibt es nun kostenfreies WLAN. Das Netz heißt: „friesack.mit.vision“. Ich ermutige alle ihr WLAN mit einem Gäste-Netz zu öffnen. In der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie muss der Zugang zum Internet so einfach wie möglich sein. Zusätzlich besteht so die Chance Last von den LTE-Mobilfunknetzen zu nehmen. Danke.
Auch in der Bibliothek am Markt ist ein WLAN-Hotspot geplant. Vgl. https://friesack.mit.vision/f/bibliothek-der-stadt-friesack-im-heimathaus-am-marktplatz/
„Jetzt auch am Marktplatz beim Heimathaus: Kostenfreies WLAN über die Bibliothek. Haben wir heute konfiguriert. SSID: friesack.mit.vision. Bitte wie gewohnt verantwortungsvoll nutzen, sonst muss abgeschaltet werden. Zur Verfügung gestellt von der Stadt Friesack, nicht von mir privat!“ https://www.facebook.com/koepernick.friesack/posts/1214959392232079
Neue Gelegenheit mit sehr kurzer Frist: https://ec.europa.eu/germany/news/wlan20190916_de „Am Donnerstag, den 19. September um 13 Uhr wird die EU-Kommission eine neue Ausschreibungsrunde für WiFi4EU-Gutscheine starten. Bis zum 20. September um 17 Uhr können Gemeinden in der ganzen EU 1780 Gutscheine im Wert von je 15.000 Euro beantragen, mit denen sie kostenlose Wi-Fi-Netze in öffentlichen Räumen, einschließlich Rathäusern, öffentlichen Bibliotheken, Museen, öffentlichen Parks oder Plätzen, einrichten können.“
In diesem Fall könnte das für die Freilichtbühne spannend sein. Veranstalter und Gäste wünschen sich dort eine bessere Internetverbindung.